Gestern Abend war es soweit.
Nach dem Bockbieranstich im Dezember 2023 lud ich Freunde zum zweiten privaten
"O´zapft is´". Gemeinschaft, Gutes vom Grill und natürlich lecker Pils´chen. Das Leben ist schön 😊
Bevor ich etwas zur Besonderheit meines Michel´s Mehrwasser Sommerpils schreibe, ein paar Fakten zum Bierstil:
Auch wenn das "Helle" ganz schön aufholt, gehört das Pils zu des Deutschen liebsten Bier. Etwa jedes zweite verkaufte Bier ist ein Pils. Bestellst Du im Restaurant "ein Bier", erhältst Du ein gezapftes Pils.
Pilsbiere gehören zu den untergärigen Bieren = längere Gärung und Lagerung bei niedrigen Temperaturen. Sie zeichnen sich durch ihren eher schlank gehaltenen Malzkörper und dafür intensivere Hopfennote aus. Diese entfaltet sich in Aromatik und Bittere (die Herbe im Abgang). Ich sage meist: Ein Helles ist eigentlich ein "umgedrehtes" Pils.
Pils = schlanker Malzkörper, intensive Hopfennote. Helles = intensiver Malzkörper, schlanke Hopfennote.
Eventuell auch den vielen Mischbier-Getränken auf dem Markt geschuldet, schrecken wohl manche etwas von der Bittere zurück oder sind sie schlicht nicht (mehr) gewohnt. So gingen auch einige Brauereien dazu über, die Bittere in ihrem Pils zu mildern. Neulich trank ich ein "Pils", das kaum mehr von einem "Hellen" zu unterscheiden war. Schade. Marketing gibt´s auch: Plötzlich steht auf einer Flasche "extra herb", als ob das bei einem Pils etwas Neues oder Besonderes wäre 😉. Doch es gibt sie noch, die klassischen, schön herben Pilsbiere, wie z.B. Jever oder Flensburger.
Wo kommt das Pils her?
Seinen Ursprung hat das Pils in der böhmischen (heute: tschechischen) Stadt Pilsen, die Namensgeber dieses hervorragenden Bierstils ist.
Gebraut wurde im 18. und 19. Jhdt. nahezu überall, mit mehr oder weniger Erfolg. Die Bürger/innen von Pilsen waren unzufrieden mit dem Bier ihres Brauhauses. Eines Tages kippten sie aus Protest gar mehrere Fässer auf den Rathausplatz. So konnte es nicht weitergehen...
Neben dem Bau eines neuen Brauhauses mit moderner Technik, suchte man auch einen Bierspezialisten. Man gewann den aus der Nähe von Passau stammenden Braumeister Josef Groll. Der kam, sah und braute... Das weiche Wasser in Pilsen eignete sich hervorragend für ein vollmundiges Bier... Der aus dem etwa 80 km entfernten Saaz stammende Hopfen (bis heute im Anbau) war perfekt... Josef Groll brachte aus Deutschland einen untergärigen Hefestamm mit und wendete ein Verfahren an, dass die Trocknung des Getreides nur durch indirekte Befeuerung ermöglichte = das Malz blieb hell und geschmacklich nicht so "wuchtig". Auch das Bier erschien schön anzuschauen: golden.
Am 11. November 1842 wurde das Bier zum ersten Mal öffentlich ausgeschenkt - Startschuss einer Erfolgsgeschichte. Unterstützt wurde sie sicher durch die aufkommenden Kältemaschinen. Sie ermöglichten kühle Gärung, Reifung und Lagerung des Bieres, unabhängig der Jahreszeit.
Entschuldigen Sie, das schmeckt ja nach Butter...!? Ein markanter Unterschied hält sich dann aber doch noch zwischen dem "deutschen" und "tschechischen" Pils. Beim tschechischen Vertreter kann es gut sein, dass Du eine buttrige Note riechst und schmeckst - ähnlich zerlassener Butter. Neulich trank ich ein Plzensky Prazdroj - Pilsner Urquell - aus Pilsen, dort war das fast lehrbuchmäßig. Grund dafür ist ein Gärnebenprodukt der Hefe, das sogenannte Diacetyl. Das ist nichts Schlimmes, aber sensorisch auffällig. In der Reifung und Lagerung nimmt die Hefe das Diacetyl wieder auf und wandelt es in weniger geschmacksintensive Stoffe um. Genau das will man aber in Tschechien nicht, deswegen verhindert man (meines Wissens durch Abzug der Hefe) diesen Prozess. Fun Fact: Was in Tschechien zum Geschmack eines echten Pilsbieres dazugehört, gilt in Deutschland als "Fehlaroma" und gibt Punktabzug 😉
Michel´s Mehrwasser Sommerpils
Nun aber zu meinem Sommerpils. Am Brautag berichtete ich bereits darüber (Zutaten, Gärtemperatur usw).
Nun durfte ich es mit Freunden genießen:
An sich ist es ein ganz "normales" Pils, das ich am 27. Januar braute. Schätzte ich die Bittere anhand der Rezeptur zunächst als eher mild ein, entfaltete sich doch eher eine "nordische" (also intensiver) Variante.
Zunächst plante ich es nicht, aber dann wollte ich dem Bier doch den gewissen Sommerkick geben. Ich entschied mich, es kaltzustopfen. Was bedeutet das? Neben dem klassischen Verfahren, Hopfen an unterschiedlichen Stellen in kochende oder zumindest noch heiße Würze zu geben (vielleicht kennst Du den Begriff "Hopfenkochen"), ergänzte ich: im kühl gehaltenen Gärschrank fügte ich etwa drei Tage vor Abfüllung den hochfeinen Aromahopfen Amarillo hinzu. Er gab dann kaum Bittere, aber sein fruchtiges Aroma ins Bier.
Im Glas erscheint es hellgolden mit feinporiger und stabiler Schaumrone. Feine Zitrusnoten steigen in die Nase, gepaart mit süßlicher Frucht. Spontan muss ich an Maracuja denken. Im Antrunk ist noch ein Hauch dieser Note da. Der Körper ist schlank gehalten, der Hopfen entfaltet sich zunehmend. Im Abgang nochmals etwas malzige und fruchtige Noten, jedoch überwiegt - stiltypisch - die Bittere.
Ein Bier, das für den Sommer nicht so schwer, aber dennoch einen Charakter hat. Dazu Bratwurst und Brötchen - So einfach kann es sein 🌭🔥🍻
Ich freu mich natürlich riesig, dass Michel´s Mehrwasser Sommerpils auch bei meinen Gästen super ankam.
Ein schöner Auftakt ins Wochenende, an den ich gern zurückdenke.
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