Einfach mal wieder rühren - Maischen in Topf und Leben
- Michel ́s Bierreise
- 10. Okt. 2024
- 4 Min. Lesezeit
Der Brauprozess besteht aus verschiedenen Schritten.
Jeder ist wichtig.
Jeder braucht Zeit.
Über das Schroten des Malzes - und was es mit unserem Leben zu tun hat - habe ich schon mal geschrieben.
Heute geht es um den next step im Bierbrauen: Das Maischen. Klingt nicht unbedingt attraktiv. Fühlt sich auch nicht immer produktiv an. Aber ist unerlässlich. Notwendig. Wichtig. Wertvoll.
Heute erkläre ich Dir, warum das so ist. Und: Warum auch in unserem Leben solche "Maischeprozesse" wertvoll sind.
Here we go...
Das Maischen
Einfach gesagt: Im Malz stecken Enzyme und Stärke. In warmem Wasser und Wärme fühlen sich die Enzyme total wohl und werden voll aktiv:
Sie beginnen, die Stärke zu spalten, sodass Zucker daraus gelöst wird. Diesen Zucker braucht später die Hefe, damit sie ihn in Alkohol wandeln kann.
Es gibt verschiedene Enzyme, die bei unterschiedlichen Temperaturen aktiv werden. Und unterschiedlich lange zum Arbeiten brauchen.

Ein Maischeplan kann also beispielsweise so aussehen
Einmaischen bei 54 °C (Eiweißrast) und 10 Minuten halten (nennt man "Rast")
Dann Rast bei 63 °C (Maltoserast) für 40 Minuten
Letzte Rast bei 72 °C (Verzuckerungsrast) für 20 Minuten.
Heizen auf 78 C° (Enzymschließung - Inaktivität) und Abmaischen.
Je nach Bier (und Philosophie 😉) sind Abweichungen möglich. Durch das heutige Malzverfahren sind Eiweiße meist so gut vorgelöst, dass manche (je nach Bier) die Eiweißrast verkürzen oder überspringen. Oder die Maltose- und Verzuckerungsrast als "Kombirast" bei 67 °C durchführen, weil man feststellte, dass in dieser "Zwischentemperatur" durchaus beide Enzymgruppen (Alpha- und Beta-Amylasen) aktiv sind. Und, Und, Und... 😉
Wie dem auch sei: Die Temperaturen zu halten und zwischendrin zu erhöhen, braucht Zeit. Da steht man schonmal 2-3 Stunden am Herd und rührt.
Durch das rühren hält man die Maische in Bewegung. So unterstützt man den Lösungsvorgang und verhindert, dass die Maische am Topfboden anbrennt. Dann wäre nämlich alles hinüber.
Es gibt mittlerweile automatisierte Rührwerke auch im Hobbybrauerbereich. Bei mir ist es tatsächlich noch reine Handarbeit.
Ich stehe mit meinem Maischepaddel (eine Art Rührlöffel) 2-3 Stunden am Herd und mache nichts anderes als die Temperatur im Blick zu behalten und rühren, rühren, rühren.
Ziemlich eintönig.
Was könnte man in der Zeit alles machen:
Mails bearbeiten
Blogbeiträge schreiben
Wohnung saugen
...
Es kann einem wie "verlorene" oder schlimmer: "vergeudete" Zeit vorkommen.
Zumal, wenn man so ein effizienzliebender Typ ist, wie ich es bin.
Scheinbar irgendwie nutzlos.
Man sieht keinen Fortschritt.
Doch das scheint nur so. "In Echt" ist genau diese Zeit unerlässlich.
Durch sie geschieht wahnsinnig viel wertvolles.
Ich sehe das erstmal nicht.
Aber wenn ich am Ende überprüfe, ob alle Stärke in Zucker aufgespalten wurde, merke ich sehr wohl, dass hier eine Menge passiert ist. Oder eben nicht, wenn ich meine, ich könnte die Zeit deutlich abkürzen oder so.
Erst recht merke ich die investierte Zeit, wenn ich mir einige Wochen später ein schönes, frisches Bier ins Glas einschenke.
Maischen ist keine verlorene, sondern sehr wertvolle und notwendige Zeit.
Maischzeiten im Leben
Und ich?
Ich steh am Herd und rühre.
Eintönig. Mitunter langweilig. Gebunden. Unflexibel.
Ich werde durch diesen Prozess rausgenommen.
Rausgenommen aus:
Das sollte man heute noch machen
Kannst Du kurz mal...
To-Do-Liste abhaken
Effizienzverliebtheit
In dieser Zeit ist all das nicht möglich. Kein Hüpfen von A nach B.
Kein abarbeiten verschiedener Aufgaben.
Ich steh da einfach rum und rühre.
Ich bin einfach. Rausgeholt aus dem trubeligen Alltag. Und irgendwie runtergeholt. Geerdet.
Zu mir selbst gebracht.
Die Alltagspace gedrosselt.
Ablenkung verunmöglicht.
Einfach sein.
Und da steckt, glaube ich, eine ganze Menge Wertvolles drin. Nicht, dass ich sagen könnte: "In diesen Zeiten fühle ich regelrecht, wie ich auftanke oder die Ideen sprudeln." Das wäre ja irgendwie schon wieder Effizienzdenken. Aber Auftanken, Gedanken sortieren, Erinnern und vorausblicken - ganz unbewusst geschieht es doch. In dieser "Maischezeit".
Ich finde interessant, dass auch Jesus Christus wusste, dass wir Menschen solche "Rasten" brauchen.
Der Evangelist Markus berichtet, dass die zwölf Jünger von Jesus super unterwegs waren.
Sie haben viel gemacht, Wunder erlebt, den Menschen von Jesus erzählt. Davon erzählen sie Jesus. Auch wenn es nicht da steht: Für mich hört sich das so an, als würden sie ihm auch begeistert davon erzählen.
Jesus reagiert auf eine besondere Weise:
Und er sprach zu ihnen: Geht ihr allein an eine einsame Stätte und ruht ein wenig. Denn es waren viele, die kamen und gingen.... - Markus 6,31
Vielleicht dachten die Jünger:
"Hä? Wir haben noch Saft. Da geht noch was. Komm, Jesus, zweite Runde."
"Keine Zeit verlieren, wir haben einen Auftrag."
"Wir sollen jetzt nur rumsitzen und Nichtstun? Was´n dat für ne Mission?"
Doch Jesus sagt:
Jungs, ihr müsst mal ´ne Runde maischen 😉
Ihr Lieben, haltet mal Rast.
So schnell und weit wart ihr unterwegs und habt vieles erlebt - lasst Eure Seele mitkommen, vielleicht auch nachkommen.
Ich nehme euch mal raus.
Warum?
Weil in dieser Zeit, in der sichtbar nicht viel geschieht, eben ganz viel geschieht.
Gedanken können sich ordnen. Erinnerungen haben Raum. So manches wird (unbewusst) verarbeitet oder vorausgeblickt. Vielleicht sogar eine Zeit nur für Gott und Dich?
Und tatsächlich kann es geschehen, dass Du in einer solchen Maischezeit eine Idee hast, die es im Alltagtrubel nicht geschafft hätte, sich "Gehör" zu schaffen.
Gott hat in den Alltagsrhythmus bereits eine solche "Rast" eingeprägt: Den Sonntag.
Er ist ein Maischegeschenk - eine Zeit ohne Druck, To Dos...
Genießen und zur Ruhe kommen, statt nachzuholen, was die Woche liegen blieb.
Darüber hinaus brauchen wir kleine Maischemomente im Alltag. Nicht immer nur Effizienz. Auch mal rasten. Sein. Wahrnehmen.
Vielleicht wäre ein Maischeplan für die Woche gar nicht verkehrt.
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So, Ihr Lieben, ich lege eine kleine Pause ein, denn: Ich stehe kurz vor dem Start meiner Biersommelier-Ausbildung.
Doch: Auf Instagram und Facebook nehme ich euch natürlich mit nach München und Bamberg. Seid dabei und folgt mir dort 💪
Und das MOVO-JUBILAÜMSBIER?
Das werde ich diesen Samstag noch abfüllen. Und zu späteren Zeitpunkt natürlich berichten, was da in die Fläscheleins floss... 🥳
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