Wenn einer eine Reise tut... - das ist ja allgemein hin bekannt.
Und für Bahnreisende gilt das manchmal vielleicht umso mehr.
Mein Start nach Bayern zur Biersommelier-Ausbildung war von zwei Begebenheiten geprägt. Die eine erzähle ich einfach, weil ich sie lustig finde. Die andere, weil ich glaube, dass nicht der "Zufall" Autor war.
Heute ein Beitrag ganz ohne Bier und doch voller Lebensgeschmack
Sonntag, 13. Oktober, ca. 13.30 Uhr.
Meine Reise führt mich von Oppenheim nach Mannheim. Von dort dann mit dem ICE über die Zwischenstopps Stuttgart, Ulm und Augsburg nach München-Pasing.
Der ICE macht mir keine großen Bauchschmerzen. Doch erfahrungsgemäß verspätete sich der Regionalverkehr in den letzten Wochen oft.
Also beschließe ich, einen Zug früher zu nehmen. Das verlängert zwar meine Wartezeit in Mannheim, aber das ist mir definitiv lieber.
Gesagt, getan. Lustigerweise erwische ich sogar noch einen weiteren Zug früher - denn der hatte Verspätung 😂.
Gegen 14.30 Uhr bin ich am Gleis 5 des Mannheimer Hauptbahnhofs und habe noch etwa eine Stunde, bis mein ICE kommt. Die Herbstsonne scheint und die Bank mit fünf oder sechs Sitzplätzen ist leer. Der Bahnsteig weitestgehend auch.
Ich setze mich an das linke Ende der Bank und parke meinen Koffer neben mir. Ein bisschen Sonne genießen.
Michel und der damenlose Koffer
Etwas später kommt eine junge Frau mit Gepäck und setzt sich - wie es sich gehört 😉 - an das rechte Ende der Bank. Nach ein paar Minuten kommt eine weitere junge Frau. Sie strahlt eine Fröhlichkeit aus, die ihrem gelben Hartschalenkoffer und ihren farbenfrohen Socken entspricht.
Sie spricht die Frau am anderen Ende der Bank an: Ob sie die nächsten 15 Minuten noch hier wäre und auf ihren Koffer aufpassen könne. Dann würde sie sich was zu essen holen. Ja, klar, kein Problem.
Die Frau schwingt, um ihren Koffer erleichtert, davon und verschwindet in der Unterführung.
Es dauert keine fünf Minuten, da steht die "Koffer-Fürsorgepflichtige" auf und spricht mich an: Sie müsse gehen, ob ich auf den Koffer aufpassen könne.
❓❓❓
Na toll...
Sie verdünnisiert sich. Ich sitze links mit meinem Koffer. Ganz rechts parkt der damenlose gelbe Hartschalenkoffer. Ich überlege, ob ich ihn auf meine Seite holen soll. Doch das scheint mir zu übergriffig - ich habe ihn ja pflichtbewusst im Blick.
Plötzlich kommen zwei weitere junge Frauen.
Sie schauen etwas verwirrt auf den gelben Koffer, setzen sich dann aber direkt daneben auf die Bank. Ich habe keine Lust auf Erklärungen und schweige. Die eine der beiden Frauen geht ebenfalls auf Nahrungssuche.
Kurz darauf kommen die farbenfrohen Socken zurück - samt Trägerin, deren Beutezug erfolgreich war. Sie geht zur Bank, bedankt sich freundlich bei der Frau (auch wenn das eine ganz andere ist), nimmt ihren Koffer und zieht fröhlich von dannen 😂
Erneut verwirrte Blicke der Dame.
Ich lache innerlich herzlich. Äußerlich schmunzle ich - und schweige weiter. Die besten Geschichten schreibt meistens das Leben.
Manchmal aber auch Gott:
Michel und das geheimnisvolle Paket
Noch etwas mehr als eine halbe Stunde bis zur Ankunft "meines" ICE.
Langsam aber sicher kommen mehr Personen auf den Bahnsteig.
Darunter eine junge Frau und ein junger Mann. Befreundet, aber nicht liiert. Irgendwie sieht man das. Ebenfalls sehe ich, dass er ein Paket trägt. Schwer scheint es zu sein. Nett, dass er ihr hilft. Er stellt das Paket direkt neben mich auf die Bank.
Ein kurzer Wortwechsel zwischen den Beiden.
Darunter eine Aussage, die ich zwar mit anhöre, aber (noch) nicht einzuordnen weiß: Er: "Was machst Du denn, wenn Du niemanden findest?" Sie: "Dann nehme ich es mit nach Hause, kein Problem."
Keine Ahnung, wo sie hin will.
Geht mich auch nichts an.
Mir ehrlich gesagt, auch egal.
Ich habe meinen eigenen Reiseplan.
"Er" trägt einen Pulli mit Schriftzug. Neugierig lese ich einen englischen Satz, sinngemäß: "Ich lebe von der Gnade." Wow, denke ich - das trägt er wohl nicht zufällig.
Er verabschiedet sich und verschwindet ebenfalls in der Unterführung Richtung Bahnhofausgang.
"Sie" bleibt da und fängt an zu reden.
Mit mir.
Sie spricht mich echt an. Na toll...
Ob ich mit dem Zug nach Stuttgart fahre, möchte sie wissen. Ich muss mich erst sortieren... Nein, ich fahre nach München. Aber ja, der fährt via Stuttgart...
Sie fährt fort. Nicht mit dem Zug, sondern mit Worten: Sie habe ein Problem...
Ein Freund von ihr halte heute Abend in Stuttgart einen Vortrag. Er säße im Rollstuhl und es fehle noch dieses Paket. Jetzt sucht sie jemand, der es mitnimmt...
Das wird ja immer toller... 🙈
Man könnte ja meinen, als Pastor ist man immer offenherzig leichtgläubig allen Menschen gegenüber.
Tatsache ist jedoch auch, dass ich in rund 15 Jahren Pastorendasein so manche Geschichte hörte, die sich eher als "Story" denn als "History" erwies - was in manchen Fällen sogar noch verniedlicht ausgedrückt ist.
Jedenfalls - so die Frau - sie habe das Paket extra aufgemacht, damit man den Inhalt sieht. Denn ein verschlossenes Paket würde ihr wohl keiner mitnehmen.
Als sie ihre Hände zum Paket bewegt, kann ich gar nicht anders, als mit meinen Augen zu folgen. Zum erstem Mal schau ich das "Objekt" genauer an.
Das Klebeband trägt den Aufdruck "SCM Medien", ein mir gut bekannter, christlicher Verlag.
Sie öffnet das Paket und zum Vorschein kommen Bücher und andere Medien von Samuel Koch.
Samuel Koch, der "Wetten dass...?"-Kandidat, der in der Sendung am 4. Dezember 2010 so schwer verunglückte. Er ist Christ und berichtet an verschiedenen Orten über sein Leben und seinen Glauben.
Jetzt wurde für mich langsam doch eine "History" draus... Freund... Vortrag in Stuttgart... sitzt im Rollstuhl... Sherlock Holmes wäre angesichts meiner Kombinationsgabe verblasst.
"Sie" setzt zur Erklärung an, wer Samuel Koch ist... und ich dürfe mir gern auch aus dem Paket was aussuchen... und... Ich falle. Glücklicherweise nur ihr ins Wort: "Das ist nicht nötig - ich weiß, wer das ist."
"Sie" ist erleichtert - vermutlich auch deswegen, dass sie nicht alles lang und breit erklären muss.
Das Paket muss jedenfalls immer noch nach Stuttgart. Beim Zwischenstopp des ICE würde es jemand direkt am Bahnsteig abholen.
Mir war mittlerweile klar, dass ich nicht ablehnen werde. Will. Kann.
"Ok, ich nehme das Paket mit..."
Sie: Erleichtert. Ich: Beschwert - um mindestens ein Paket.
Sie will meine Handynummer. Natürlich nur für die "Kontaktfrau" in Stuttgart. Maike heißt die. Vielleicht nur ein Deckname... Ach so, Quatsch, ich bin ja in Mannheim und nicht im Film.
Die Nummer der Paketdame speichere ich mir vorsichtshalber auch ein, falls irgendwas sein sollte. Bis heute steht in meinem Handy tatsächlich: "Bahnhof S. Koch" - ihren Namen weiß ich gar nicht.
Aber das sie happy war, weiß ich. Glücklich, jemanden gefunden zu haben, der bereit ist, das Paket mitzunehmen. Ob sie sich gleichzeitig fragt, ob es auch ankommen wird? Irgendwas zwischen "Hoffentlich" und "wird schon gut gehen"?
Die Gewissheit will ich ihr gerne geben. Außerdem will ich ihr zeigen, dass wir uns zwar zum ersten Mal begegnen, aber ganz offensichtlich schon lange Geschwister sind: Im Glauben an denselben Vater.
Ich weiß nicht, ob ihre Socken so bunt sind wie die der Dame vorhin. Jedenfalls ist sie nach meinem "Bekenntnis" ziemlich von ihren... 😉
Nicht nur Erleichterung, sondern auch Tränen sind ihr anzusehen. "Das gibt´s ja nicht.... Darf ich Dich mal drücken..."
Wir verabschieden uns, sie geht. Ich bleibe. Mit einer Mission.
Unterwegs im Auftrag von Samuel Koch. Klingt ja auch nicht schlecht.
Im Zug nimmt "Maike" mit mir Kontakt auf.
Wir vereinbaren Zeit und Ort der Übergabe (🙈).
In Stuttgart angekommen, verlasse ich kurz den Zug und schau mich um. Nach Maike. Natürlich habe ich keine Ahnung, wie sie aussieht. Was ist unser Erkennungszeichen? Das geheimnisvolle Paket muss genügen.
Tut es.
"Michael? ... Ich bin Maike..."
Die Übergabe klappt ohne Zwischenfälle und ich gehe zurück auf meinen Platz.
Die anderen Reisenden haben ja keine Ahnung, welcher Deal hier gerade über die Bühne ging... 😏
Um 16.13 Uhr verschicke ich an "Bahnhof S. Koch" folgende Nachricht: "Hi, Maike hat das Paket...". 🕵️😎
Aber nun ganz im freudigen Ernst. Mir wurde erst von Zugkilometer zu Zugkilometer klar, was da passierte:
Ich bin (beabsichtigt) früher am Bahnhof, um meinen Anschluss "zu sichern"
Ein Crew-Mitglied von Samuel Koch macht sich "auf Hoffnung" hin auf den Weg.
Sie geht zu irgendeiner Bank, landet aber bei "meiner" Bank.
Sie spricht die nächstbeste Person an: Mich. Freilich ohne zu wissen, dass ich auch Christ bin.
Das Paket war noch nicht am Zielort, aber sie wusste, es wird ankommen.
Natürlich kannst Du jetzt sagen: Ja, sind halt alles irrwitzige Zufälle. Ich glaube, dahinter steckt einer, der History schreibt und mich gebrauchte:
Um Material rechtzeitig zu einem Vortrag von Samuel Koch zu transportieren
Einer Frau die Gewissheit zu geben, dass alles klappen wird
mich selbst zu ermutigen: Auch wenn Du Dich jetzt völlig privat auf "Bierreise" begibst: Ich bin dabei und handle. Sogar auf Gleis 5 am Mannheimer Hauptbahnhof.
Mit dieser Ermutigung fuhr ich nach München. Am nächsten Morgen schrieb mir ein Freund zum Kursbeginn, dass er mir eine schöne Zeit dort wünscht. Und er formulierte zum Schluss: "Unterwegs im Auftrag des Herrn". Irgendwie hatte das ja schon begonnen...
Darf man auf Gott anstoßen? Ich glaube, in diesem Fall schon 😉🍻
🍻🍻🍻🍻🍻🍻🍻🍻🍻🍻🍻🍻
Liebe Leute, Weihnachten steht vor der Tür.
Ich hab da ein limitiertes Angebot für euch (für Details aufs Bild klicken).
Wow, das ist wirklich der Hammer! 🤩