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AutorenbildMichel ́s Bierreise

Bier-P(r)ost #12: Guinness und seine christlichen Wurzeln

In meiner jungen Erwachsenenzeit waren wir als Clique oft in einem Irish Pub in der nahe gelegenen Stadt. Was trinkt man dort? Natürlich: Ein Guinness.


Das tiefschwarze Bier mit dem typischen dichten und stabilen Schaum, der eigentlich bis zum Schluss im Glas bleibt.


Guinness aus Dublin ist das wohl bekannteste Stout der Welt. Mag mancher bei Erwähnung des Bierstils Fragezeichen in den Augen haben, ist "Guinness" die Antwort, mit der man was anfangen kann.


Heute erkläre ich Dir das "Schaumgeheimnis" und warum die Guinnessdosen klackern. Außerdem nehme ich Dich mit hinein in die erstaunliche Geschichte, die hinter der Brauerei steckt und sie begleitet.


In diesem Sinne ein irisches "Sláinte" - los geht´s.

Fast typisch für englische und eben auch dieses irische Bier ist die verhältnismäßig geringe Rezenz - sprich: Es hat nicht viel Kohlensäure. Das liegt nicht nur an der Karbonisierung des Bieres selbst, sondern auch an der Frage, mit wie viel CO2 (Kohlensäure) die Zapfanlage betrieben wird.


Das ist bei Guinness nicht nur "weniger" als z.B. bei deutschen Pilsbieren, sondern auch bewusst anders.

Und damit sind wir gleichzeitig auch schon beim Schaumgeheimnis.


Das Schaumgeheimnis

Der feste, dichte, cremige Schaum kommt durch die Zapfung mit Mischgas: Neben nur 30 % CO2 (Kohlensäure) kommen 70 % N2 (Stickstoff) zum Einsatz.


Stickstoff löst sich nicht, sondern die "Bläschen" drängen an die Oberfläche. Das lässt sich beim Einschenken super beobachten: Es ist zuerst sehr "neblig", bevor es tiefschwarz aufklart. Und die N2-Bläschen produzieren eben diesen extrem stabilen Schaum.

Zusätzlich enthält der "Guinness-Zapfhahn" einen feinen "Siebeinsatz" (vereinfacht: ähnlich Deinem Wasserhahn im Bad), so dass hier auch gezielt "geschaumt" wird.


Das Floating-Widget der Dose

Wer eine Guinness-Dose kauft und diese hin und her bewegt, hört etwas "klackern".

In der Dose befindet sich eine Kunststoffkugel von etwa 3 cm Durchmesser, das sogenannte Floating-Widget.

In der Produktion wird diese mit Stickstoff gefüllt, verschlossen und mit einer druckempfindlichen Sollbruchstelle versehen.

Beim Öffnen der Dose verändert sich ja schlagartig der Behälterdruck. Die Sollbruchstelle bricht (kleine Löcher) und die Kugel gibt N2 frei.

Die Schaumgarantie für Zuhause.

Das Guinness-Bier

Im Glas erscheint es tiefschwarz. Der Schaum ist sehr dicht, cremig und nahezu beständig bis zum letzten Schluck. Im Geruch dominieren röstmalzige und kaffeeartige Aromen. Beim Antrunk fällt eben auf, dass es wenig Kohlensäure hat. Der Schaum schafft ein weiches Mundgefühl. Guinness schmeckt nach Kaffee, Espresso und geröstetem Brot. Auch etwas Schokolade kommt durch. Dabei bleibt der Körper dennoch recht schlank für ein so dunkles Bier. Die Bittere ist moderat.

Wer und was steckt hinter Guinness?


Namensgeber des typischen Stouts und der Brauerei ist ihr Gründer: Arthur Guinness (1725-1803). Sein Vater war Landverwalter eines anglikanischen Bischofs. Auf dessen Landgut in Dublin wurde Arthur geboren.

Arthur gründete die Brauerei 1759 in Dublin.

Er war ein wohl recht hoffnungsvoller Mensch. Denn er schloss direkt einen Pachtvertrag über 9000 Jahre 😅.


Möglicherweise war es kein Zufall, dass Arthurs Vater in kirchlichem Kontext arbeitete. Jedenfalls sind klare christliche Bezüge der Familie erkennbar.


Arthur Guinness II (1768-1855), Sohn des Brauereigründers, war Mitglied der "Church Missionary Society". Eine Missionsgesellschaft, die mit Christen weltweit zusammenarbeitet und heute noch mit Hauptsitz in Oxford existiert.


So wurde Guinness-Bier beispielsweise auch an den Bischofssitz nach Israel versandt. Der zum Christentum übergetretene Rabbiner Michael Solomon Alexander wurde 1842 erster anglikanischer Bischof in Jerusalem und bekam aus Dublin...

... klar: Guinness 🍻


Er schrieb Arthur Guiness II:

"Wir genießen täglich ihr ausgezeichnetes Porter, das, wie ich glaube, viel dazu beigetragen hat, uns bei Kräften zu halten... Ich zweifle nicht daran, dass Sie erfreut sein werden zu hören, dass Ihr ausgezeichnetes Getränk seinen Weg nach Jerusalem gefunden hat."


Und die (Segens)Spur geht weiter.

Henry Grattan Guinness (1835-1910) ist der Enkel von Arthur Guinness.

Auch er verband "Bier und Bibel" und wurde wurde ein bedeutender Prediger. Tausende Menschen hörten ihn und wurden von ihm geprägt.


1866 lud das Ehepaar Henry und Fanny Guinness den bekannten Chinamissionar Hudson Taylor (1832-1905) nach Dublin ein.

Sie sprachen mit ihm auch über ihre eigene missionarische Zukunft. Auf Taylors Rat hin, engagierten sie sich fortan in der Missionarsausbildung.

1873 gründeten sie die erste Missionsschule, bei der es nicht darauf ankam, ob die konfessionellen Wurzeln einer Person anglikanisch, protestantisch, katholisch... sind.

Ein Modell, das im wahrsten Sinn des Wortes weltweit Schule(n) machte. Etwa 1500 Missionarinnen und Missionare wurden dort ausgebildet.


Nach dem Tod seiner Frau gründete Henry G. Guinness mit seiner Tochter Lucy und deren Mann die "Sudan Pionier Mission" (1900). Sie arbeitet heute noch, wenn auch unter anderem Namen: "Evangeliumsgemeinschaft Mittlerer Osten" (EMO) mit Sitz in Wiesbaden.


Auch im eigenen Betrieb und Umfeld prägte die Guinness-Familie sieben Generationen lang. Ein paar Einblicke:


  • Im 19. Jahrhundert unterstützte die Familie Guinness die Restaurierung der St. Patricks Cathedral in Dublin.

  • Sie baute Sozialwohnungen, ein Wohnheim, Kleider- und Lebensmittelmärkte, wo Bedarf war.

  • 1870 gründeten die Guinness´ ein medizinisches Zentrum, dessen Gesundheitsversorgung allen Mitarbeitenden und ihren Familien kostenlos zur Verfügung stand.

  • Guinness bezahlte seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter etwa 10 % besser als der irische Industriedurchschnitt. Sie führten bezahlten Urlaub, kostenlose Mahlzeiten und 1880 ein Rentensystem für Mitarbeitende ein.

  • Nach der Expansion nach Afrika 1961 initiierten sie das Projekt "Water of Life", das bis heute die Trinkwasserversorgung der Menschen unterstützt.


Ich finde das richtig spannend. Und ich glaube, es ist nicht zu viel Interpretation, so manche Auswirkung nicht nur auf "moralische Nächstenliebe" oder "sozialen Unternehmergeist" zurückzuführen. Sondern auf gelebten Glauben in alle Bereiche des Lebens hinein. So wie Bier ein Getränk mitten im Leben ist, ist es der Glaube auch.


Wie es heute aussieht

Meines Wissens sind keine Guinness-Nachfahren mehr im Betrieb tätig.

Seit 1997 gehört Guinness zu Diageo plc, einem weltweit agierenden Unternehmen.


Doch es wäre wunderbar, wenn sich die Verantwortlichen immer wieder erinnern, aus welchen Wurzeln heraus so manches wachsen durfte. Und in diesem Sinne vieles weiterführen.


So, und nun erstmal ein Guinness - auf den Geist, der die Gründerfamilie bewegte.

Sláinte.

41 Ansichten2 Kommentare

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2 Comments


Unknown member
Nov 23

Lieber Michael, herzlichen Dank für diesen interessanten Beitrag. Das ist ein überaus überzeugendes Argument für meine Guinness Vorliebe. Meine zweite "Heimat" ist Great Britain und es verbinden mich fast familiäre Beziehungen zu der Insel. Ich liebe das frische Pint of Guinness im English Pub beim Dart oder Talk with best friends.


Liebe aus Uelversheim


Mike


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Thomas Leicht
Nov 23

Hi Michi,

Vielen Dank!

Ich werde mein nächstes Guinness mit anderem Gaumen schmecken.

Lieber Gruß Thomas

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