Porter - so hießen die Londoner Hafenarbeiter im 18. Jahrhundert. Und nach Ihnen ist der Bierstil "Porter" benannt.
Vergangenen Oktober habe ich ihn gebraut. Es wurde ein tiefdunkles, leicht rötlich schimmerndes Bier. Mit etwa 5% Alkohol kein schwerer Vertreter, duftet aber intensiv nach kaffeeartigen Röstaromen und leichter Honigsüße. Geschmacklich erinnert es mich stark an Lakritz mit feinbitterem Abgang.
Zurück nach London: Das dunkle, sehr geschmackvolle und kalorienreiche Bier gehörte zum Grundnahrungsmittel der "Porter". Für die schwere Arbeit brauchte es eine ordentliche Kalorienzufuhr.
Irgendwann, so hörte ich vor einiger Zeit, kam die höhere soziale Schicht auf den Geschmack. Gerne hätten sie Porter getrunken. Die Porter hätten auch nichts dagegen gehabt. Aber die "höheren Leutchen". Man stand ja schließlich "über" den Porter. Wo kämen wir da hin? Porter? Nix für den feinen Schnösel.
Ausweg schaffte die Idee eines Brauers: Ein ganz ähnliches Bier - etwas dunkler und stärker als das Porter... Das "Stout" war geboren...
So gesehen ist das Stout also das Schnöselbier.
Ob es sich nun exakt so verhielt, weiß ich nicht. Und natürlich ist das längst Geschichte - beides sind spannende, herausragende Bierstile bester Qualität.
Aber ich befürchte, das "schnöseln" gibt's noch. Wie schnell überhebt man sich doch über andere. Nicht immer absichtlich oder reflektiert. Aber im Herzen und in Gedanken passiert es doch.
Auf wen geht man zu auf dem Sportplatz, im Studium, in der Firma oder nach dem Gottesdienst? Wer steht am Rand und bleibt dort ziemlich allein? Und man selbst sieht wenig Vorteile darin, es zu ändern.
Andersherum: Zu wem sucht man Kontakt? Zum "eigenen Level"? Zu "bedeutenden" Personen? Man bemüht sich, es ihnen recht zu machen? Schmerzhafte Testfrage: Mit wem wäre man bereit, ein Selfie zu machen - und mit wem nicht? Das hat nicht immer was mit "schnöseln" zu zun. Aber ich glaube, eben auch nicht immer mit "nicht-schnöseln".
Ich schreibe von "man". Aber lass uns persönlich werden: Ich kenne solche Menschen. Und ich kenne mich! Vermutlich müssen wir uns eingestehen, dass wir alle manchmal "Schnösel" sind. Uns für überlegen, besser oder sonstwas halten. Wie gesagt: Nicht absichtlich! Es "passiert halt".
Die Bibel holt mich oft wieder auf den Erdboden zurück. Dort heißt es am Anfang: Jeder Mensch ist Gott ähnlich geschaffen (1. Mose 1,27). Krass, oder? Krass wunderbar!
Bei Gott gibt's keine Wertung. Kein "mehr" oder "weniger" wichtig. Keine "Porter" und keine "Schnösel". Einfach geliebte Menschen!
Nun bin ich nicht so naiv, zu versprechen, ab heute nie wieder schnöselig zu sein. Ich kenne mich ja jetzt auch schon ein paar Jahre. Aber ich will unterwegs sein und jeden Tag ein bisschen mehr im anderen den und die sehen, die er und sie ist: Gottes geliebtes Geschöpf.
Darauf erst Mal ein Schluck Porter - zum Wohl!
Unsere Zweijährige ist total begeistert von dir auf dem Foto. Ich eher vom Inhalt des Glases 😊 Prost.
Hallo Michi,
super tolle Gedanken, super tolles "Schnösel - Bild" und tolles Stout.
Ich denke, dass es ohne schnöselig zu sein, auch erste Eindrücke gibt, die Kontakt verhindern, oder behindern.
Und mit jemandem Kontakt zu suchen, der ein Schnösel ist und mich von oben herab behandelt, brauche ich nicht mehr.
Sicher, es tut mir gut, im anderen Gottes Ebenbild zu sehen, das ist auch oft sehr erhellend und wunderschöne Begegnungen entstehen.
Aber auch da verstehe ich Gott nicht immer.
Klasse Parallele - weiter so! Dein Projekt hat echtes Potential :)