Liebe Bekannte brachten mir aus dem Österreichurlaub einen Sixpack der (mir noch unbekannten) Wochtabrauerei mit. Es begeistert mich ja, wenn Brauereien einen Sixer mit unterschiedlichen Bieren rausgeben. Das ist hier der Fall:
Märzen
Bockbier
Weizen
Pale Ale
Alt Wiener Lager
Helles Lager
Auf den Flaschen ist auch angegeben, welchen Stammwürzegrad, welchen Alkoholgehalt, welche Farbe und Bitterstufe das Bier hat. Sowie die verwendeten Malz- und Hopfensorten. Toll!
Die weitere Etikettengestaltung ist auf den ersten Blick etwas "speziell", zeigt seltsame Wesen. Das weckt Interesse und wohl dem, der in Neugier etwas recherchiert - denn die Story hinter den Bieren hat was.
Historie
Die Wochtabrauerei hat ihren Sitz in Großarl im Süden Salzburgs. Die Gemeinde mit knapp 4000 Einwohnern ist umrahmt von Bergen und gibt dem Großarltal ihren Namen.
Der Zugang zum Tal erfolgt über eine Brücke, an der das historische Gebäude "Alte Wacht" steht. Von diesem (vermutlich in österreichischer Aussprache) stammt die Namensgebung der Brauerei. Eine Skizze des Gebäudes befindet sich im Logo.
2018 gegründet ist es eine sehr junge Brauerei. Der Gründer ist jedoch kein ganz junger mehr. Ernst Toferer war Bankdirektor und entdeckte nach der Pensionierung seine Leidenschaft für Bier - wie cool ist das denn. Er steht nicht nur am Braukessel, sondern schreibt auch die Rezepte selbst. Unterstützt wird er vom gelernten Handwerker Peter Hettegger. Eine kleine Brauerei mit spannender junger Geschichte.
Philosophie/Marketing
Wochta wirbt mit dem Slogan: "Sagenhaftes Bierhandwerk". Dieser ist bewusst doppeldeutig:
1. Qualität und Genuss guter Biere Meine Favoriten des Sixpacks waren das Bockbier mit seinem echt vollmundigen, würzigen Körper. Und das Pale Ale, das nicht nur durch seine dunkle Kupferfarbe angenehm im Glas war, sondern auch exotische Fruchtnoten mit langanhaltender Bitterness toll verband.
2. Alte Sagen/Legenden des Großarltals
Das steckt hinter den etwas mystisch anmutenden Etiketten. Abgedruckt sind fabelhafte Wesen und in Kurzform werden alte Sagen des Tals nacherzählt. Vom Kupfergeist, der Gletschergoaß oder dem Arlgeist ist die Rede.
Die meisten Geschichten tragen etwas Unheimliches und Düsteres in sich: verschwindende Bergarbeiter, ein totes Mädchen, verschüttete Häuser...
Ich kann es mir gut vorstellen: In den frühen Morgenstunden eines Herbsttages blicke ich von einer Anhöhe in ein kleines, nebelverhangenes österreichisches Tal mitten in den Bergen. Und das vor langer, langer Zeit... Die Brauer nehmen uralte Legenden wieder auf, die zur Geschichte des Arltals gehören. Das wirkt rund, verknüpft Tradition mit jungem Unternehmergeist und verleiht dem Bier(marketing) natürlich irgendwie auch etwas leicht geheimnisvolles.
Alles in allem - wie ich finde - eine Brauerei mit echt spannender und kreativer (Hi)story.
Wie das bei alten Geistersagen oft ist und sich auch hier zeigt: sie tragen oft dunkle Züge. Furchteinflößend und zerstörerisch. Nun glaube ich (und vermutlich auch die Brauer der Wochtabiere) nicht an den "Arlgeist" oder die "Gletschergoaß". Doch bin ich mir bewusst, dass es mehr gibt, als wir mit unseren Augen oder wissenschaftlichen Methoden sehen und feststellen können. Ich glaube, dass es "das Gute" und seine Mächte genauso gibt, wie "das Böse" und seine Mächte.
Die Bibel beschreibt sie nicht als undefinierbare Energien, sondern als personale Wesen: "Gott" (der Gute) und den "Durcheinanderbringer" (den Bösen).
Wer mit offenen Augen durch die Welt geht, wird wohl beide(s) in ihren Auswirkungen sehen können.
Wie gut, wenn man mit dem evangelischen Theologien Dietrich Bonhoeffer sagen kann:
Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist mit uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag. (Ev. Gesangbuch, Nr. 541)
Schöne Geschichte(n) aus dem Arltal. Vor allem hat es mir die "Alte Wacht" angetan, die bestimmt über Guten und Bösem die Wacht hält.
So wie wir mit den guten Mächten in unsere Tage gehen können.